19.februar 2005 im berliner kunsthaus ACUD
neunzehnter BRASCH ACUD
zum 60. Geburtstag des am 03.November 2001 verstorbenen Poeten Thomas Brasch
wir machen keine deutung!
wir gebrauchen!
wir bemerken!
wir wollen wissen, was er gedacht, geschrieben, geliebt und gelebt hat.
wir nehmen jeden hinweis auf. und versuchen von da aus unsere (eigene) totalität.
und sind da - da sind wir uns schon sicher - ziemlich nah bei ihm.
denn um ihn soll es gehen. thomas brasch zum 60ten.
Ausstellung
Anna Thalbach - Fotos aus "Ich sehe was, was Du nicht siehst"
Roger Melis - Fotoaustellung Thomas Brasch
Alexander Polzin - Skupturen "Fünf Masken für die Nacht"
anaximander - Installation "19ter / 19th" mit box obscure, box obscene, in collaboration mit malcolm delargy
Bühne
Meret Becker - singt: Das blanke Wesen
Carmen Maja Antoni - liest Lyrik von Brasch
Nino Sandow - singt: BRÜDER
Johannes Glende - Cello
Richard III, nach einer Brasch Übersetzung
gespielt von Julie Pfleiderer und Studenten der Hochschule Ernst Busch
Anna Thalbach, Hinnerk Schönemann & Herbert Fritsch
"mercedes" - eine szenische Lesung
Kino
Engel aus Eisen
Domino
Der Passagier
weiterhin
Stefan Suschke - Installation
Michael Mäde - Textinstallation und Lesung
KuratorIn der Ausstellungen: anaximander
Gesamtleitung in collaboration: anaximander mit Alexander Polzin & Michael Mäde
"neunzehnter" - Tagebucheintrag
"neunzehnter
geburtstag. was mich umgibt, ist tatsächlich zur strafe um mich versammelt worden: man quasselt vom theater, den ganzen abend und hört auch auf ausdrücklichen wunsch
des >>geburtstagskindes<< nicht auf. das kind greint, es will lieber einen pornofilm einlegen und jeder sollte ihm sagen, was von den vorgeführten leibesübungen er mit grösstem
vergnügen schon ausprobiert hätte oder mit dem grössten misserfolg oder wovon er glaube, dass es sein partner am liebsten mal probieren würde und nicht den mut dazu hätte: das wäre doch witziger
als über theater zu reden. ergebnis? keiner glaubt, ich würde das ernst meinen und als ich wahrhaftig versichere, es wäre mein wirklicher geburtstagswunsch, wenden sich die kanallien zum gehen.
..."
thomas brasch / tagebuchauszug aus „Liebe Macht Tod“, edition suhrkamp 2002
"Das blanke Wesen"
Bis zum Ende seiner KINDHEIT will er
einen immer wiederkehrenden TRAUM haben
in dem die person von der er behaupten wird
SIE SEI durch die offene SCHAEDELDECKE in seinen KOPF
eingedrungen und habe sich hinter seinen AUGENFENSTERN eingerichtet
mit einer NAGELSCHERE sich die haut vom LEIB schneidet
SIE VORSICHTIG VOM KOERPER TRENNT
UND DAS HAUTKLEID
DANN SORGFAELTIG ZU EINER SPAETEREN
VERWENDUNG zusammenfaltet
wie B.es seine MUTTER MARIE
mit dem Bettlaken hat tun sehen.
Dann legt das von B. SOGENANNTE
BLANKE WESEN
die haut sorgfaeltig in ein kistchen
und setzt sich bis zu seinem AUSZUG
hinter B.s AUGENFENSTER
UM EINBLICK IN DIE WELT
ZU NEHMEN
Seinen hausherren auf die fehler des gesellschaftlichen
LEBENS
aufmerksam zu machen und vorschläge
für den fortgang der biografie
zu unterbreiten
wenn B. am morgen
erwacht
ist er jeden tag aufs neue verwundert
dass ihm
an seinem blanken wesen
weder ein herz
noch ein vergleichbares
lebensantriebsgeraet
aufgefallen ist.